Wir müssen reden: Über Inkontinenz

Über kaum ein Thema wird wohl so ungern gesprochen wie über Inkontinenz. Wenn Blase oder Darm die Kraft verlieren, ist das den meisten Betroffenen nicht nur unangenehm. Es kann sie in ihrem gewohnten Alltag erheblich einschränken und dem Leben Spontanität und Flexibilität nehmen.

„Einige Betroffene beschreiben die Erkrankung so, dass  sie sie zwar nicht umbringt, aber die Lebensqualität  nimmt. Inkontinenz ist ein gravierender Kontrollverlust, der verunsichert und Scham verursacht. Das belastet die Betroffenen  zusätzlich zu den körperlichen Symptomen. Eine unbehandelte Inkontinenz geht leider auch von allein nicht weg, sondern verschlechtert sich eher im Laufe der Zeit.“, erklärt Inna Alexin, Urotherapeutin am Kontinenz- und Beckenbodenzentrum Main-Taunus in Bad Soden.  

Medizinisch gesprochen bezeichnet Inkontinenz die „fehlende oder mangelnde Fähigkeit des Körpers, Urin oder Stuhl zu halten und kontrolliert abzugeben.“ In Deutschland gibt es etwa zehn Millionen Menschen, die unter Blasen- oder Darminkontinenz leiden. Hinzu kommt eine große Dunkelziffer, wie Expert:innen vermuten. Und es sind nicht nur Frauen, die betroffen sind. Man geht davon aus, dass etwa 10% der männlichen Bevölkerung Deutschlands an unkontrolliertem Urinverlust leiden. Liest man diese Zahlen, spricht immer mehr dafür, das Thema zu enttabuisieren und aufzuklären. Ein wichtiger erster Schritt ist es, sich jemandem anzuvertrauen. „Patient:innen fühlen sich sehr erleichtert, wenn sie mit jemandem sprechen konnten. Nicht selten hören sie auch ein „mir geht es genauso“. Wichtig ist mir zu betonen, dass man mit dieser Erkrankung nicht allein ist und es Hilfe gibt!“ ermutigt Inna Alexin.

Die Ursachen für die Entstehung sind vielfältig und müssen im Einzelfall ärztlich abgeklärt werden. Zu den häufigsten Ursachen zählen unter anderem neurologische Erkrankungen, nach Operationen oder einer Geburt. Je nach Ursache und Art der Inkontinenz gibt es unterschiedliche Therapien die zum Einsatz kommen. Erste Anlaufstellen bei Beschwerden sind meist Haus- oder Fachärzt:innen wie Gynäkolog:innen und Urolog:innen. Auch Urotherapeut:innen wie Inna Alexin können aufgesucht werden.

„Als Urotherapeutin helfe ich unseren stationären wie auch ambulanten Patient:innen bei allen nicht operativen therapeutischen Maßnahmen. Wir klären auf, schulen beispielsweise im Beckenbodentraining und geben Anleitungen zum Blasen- und Toilettentraining.“

Inkontinenz lässt sich in der Regel gut behandeln. „Entscheidend ist die Diagnostik. Je besser man die Ursachen versteht, umso gezielter kann man die Erkrankung behandeln.“

Sie haben Fragen zu Inkontinenz und möchten sich mit unseren Expert:innen austauschen?

Im Rahmen der Welt-Kontinenz-Woche veranstaltet das Kontinenz- und Beckenbodenzentrum Main-Taunus am 20. Juni 2023 eine Telefonaktion. In der Zeit von 16-17 Uhr stehen Ärzt:innen und Therapeut:innen für Ihre Fragen unter den nachfolgenden Rufnummern zur Verfügung. 

Zur Telefonaktion

Sie haben einen Verdacht? Vertrauen Sie sich jemanden an und suchen Sie einen Arzt auf! 

  • Vertrauen Sie sich jemandem an und suchen Sie bei Beschwerden einen Arzt auf. Mit der geeigneten Therapie lassen sich Symptome lindern oder sogar heilen.
  • Angeleitetes Beckenbodentraining: Auch ohne erste Anzeichen einer Inkontinenz kann es von Vorteil sein, die Muskeln im Beckenboden zu stärken. Durch Bewegungsmangel und viel Sitzen wird der Beckenbodenmuskel bereits geschwächt. Auch Übergewicht und eine schlechte Körperhaltung wirken sich negativ auf den Beckenboden aus.
  • Bei Betroffenen mit Harndrang hilft oft das „virtuelle Bonbonlutschen“: Dabei schiebt man die Zunge gegen die Schneidezähne und stellt sich vor, ein Bonbon zu lutschen und dabei ruhig atmen. Diese Übung hilft dabei, die Blase zu beruhigen und so einem Missgeschick vorzubeugen.
  • Betroffene mit Belastungsinkontinenz sollten Sportarten wählen, die den Beckenboden nicht zusätzlich belasten. Beim Joggen, Hüpfseil- oder Trampolinspringen lastet das Vierfache Körpergewicht auf dem Beckenboden. Schonendere Sportarten sind beispielsweise Walken, Radfahren oder Schwimmen
  • Nicht auf der Toilette trainieren, das kann die Blasensteuerung noch mehr durcheinanderbringen