„Jeder hat seine eigene Sprachmelodie und klare Worte sind immer wertschätzend.“Maria Sembdner und Simone Viviane Plechinger über die Wirkung von Musik, wenn Worte nicht mehr weiterkommen

Für Maria Sembdner und Simone Viviane Plechinger, Diplom-Musiktherapeutinnen in der Klinik für psychische Gesundheit im varisano Klinikum Frankfurt Höchst, ist die Kraft der Musik der Kern ihrer Arbeit, mit der sie täglich neue Verbindungen schaffen und Heilungsprozesse begleiten.
Von Kindesbeinen an sind beide Therapeutinnen mit Musik vertraut. Maria Sembdner ist seit 1990 musiktherapeutisch tätig und begann ihre Laufbahn im Bereich Kinder- und Jugendpsychiatrie. Sie studierte berufsbegleitend in Berlin und Magdeburg. Seit 2022 ist sie bei varisano und baute den musiktherapeutischen Bereich als eigenständige Säule mit großer Eigeninitiative auf. Simone Viviane Plechinger studierte Musiktherapie Mitte der 1990er Jahre in Heidelberg. Seit ihrem Einstieg 2024 bei varisano bringt sie langjährige Erfahrung aus vielfältigen Arbeitsfeldern ein.
Gemeinsam erzählen sie über die Bedeutung von Musik als Medium, berührende Momente mit Patient:innen und die besondere Atmosphäre ihres Arbeitsumfeldes.

Welche Rolle spielt Musik in der therapeutischen Arbeit mit psychisch erkrankten Menschen?

Simone Viviane Plechinger: „Musik ist wie ein roter Faden, der sich durch das ganze Leben zieht. Sie ist eine Ressource, die auch dann noch da ist, wenn vieles andere verloren geht. Ich erlebe das besonders bei Menschen mit Demenz. Auch wenn Sprache kaum noch möglich ist, können sie häufig noch ganze Lieder mitsingen. Selbst Patient:innen mit schweren psychischen Erkrankungen erinnern sich oft an ihre Lieblingsmusik. Musik ist ein Verbindungsglied und hilft, den Menschen hinter der Diagnose wieder sichtbar zu machen.“
Maria Sembdner: „Unsere Aufgabe ist es, Musik spürbar zu machen – durch Hören, Singen oder einfach aktives Spielen. Dahinter stecken viel Wissen, Intuition und Verantwortung. Denn wir arbeiten mit Menschen in sehr verletzlichen Lebenslagen.“

„Musiktherapeut:innen brauchen viel Wissen, um mit dem wirkmächtigen Medium Musik verantwortungsvoll umzugehen.“

Was macht die Musiktherapie für Sie so wirksam?

Maria Sembdner: „Wir erleben oft, dass Musik ermöglicht, dass Worte erst im Anschluss gefunden werden können. Musik macht Dinge – besonders Gefühle – fassbar, die vorher vielleicht noch nicht greifbar waren. Unsere Aufgabe ist es dann, Patient:innen mit ihren Gefühlen nicht allein zu lassen, sondern ihnen zu helfen, diese zu verstehen, einzuordnen und damit umzugehen.“
Simone Viviane Plechinger: „Wir nutzen das Medium der Musik, um Dinge zu erreichen, die auf den ersten Blick nichts mit Musik zu tun haben. Musik kann sehr viel: Sie nimmt Einfluss auf Prozesse im Gehirn und spricht die Gefühlsebene direkt an. So ermöglicht sie unseren Patient:innen, mit ihrer Gefühlswelt in Kontakt zu kommen.“

 

Wie arbeiten Sie im Klinikalltag zusammen?

Maria Sembdner: „Frau Plechinger und ich haben unterschiedliche Schwerpunkte, die sich sehr gut ergänzen. Ich bin auf der Station D42 tätig, der akutpsychiatrischen Notfallstation. Dort ist es entscheidend, offen und flexibel auf sich ständig verändernde Situationen zu reagieren. Darüber hinaus betreue ich die Station D43 mit dem Fokus Depression.“
Simone Viviane Plechinger: „Wir stehen im ständigen Austausch und arbeiten auch stationsübergreifend. Ich betreue die Station D41, also die gerontopsychiatrische Station mit Patient:innen mit Demenz oder Suchterfahrung, sowie die Station D44 mit dem Fokus posttraumatische Belastungsstörungen. Wir haben keinen starren Katalog, nach dem wir vorgehen. Stattdessen schauen wir immer individuell: Wer ist der Mensch und was braucht er gerade? So können wir uns gegenseitig unterstützen und natürlich auch voneinander lernen.“

 

Was schätzen Sie besonders an Ihrer Arbeit in der Klinik?

Simone Viviane Plechinger: „Wir haben hier eine große Vielfalt an Konzepten und einen lebendigen fachlichen Austausch. Das begeistert mich und macht Freude.“
Maria Sembdner: „Vor allem die Offenheit und die Gestaltungsspielräume, die wir hier haben. Das gibt uns die Möglichkeit, individuell und kreativ zu arbeiten und auf das einzugehen, was unsere Patient:innen wirklich brauchen.“